Zurück zum Bericht

Rechtslage zum Gerichtsstand bei einer Auseinandersetzung ums Internet

Nach Zivilprozeßordnung §12 und folgende ist der Gerichtsstand für eine Unterlassungsklage der Wohnsitz des Beklagten – dachte ich. Findige Juristen haben aber einen Trick gefunden, wie man wenigstens für Auseinandersetzungen ums Internet diese Regel austricksen kann.

Selbstverständlich hat sich der gegnerische Anwalt diese Praxis auch zu Nutze gemacht. Hier seine Stellungsnahme zum Gerichts­stand.


In dem Rechtsstreit

Verlag Partisch und Röhling GmbH ./. Peter Becker
-AZ: 15 0 25/ 00-

nehme ich zum Schriftsatz des Beklagtem vom 18.02.2000 wie folgt Stellung:

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit für das Landgericht Kiel ergibt sich aus § 32 ZPO, wonach bei Streitigkeiten aus uner­laub­ten Handlungen die vom Beklagtenvertreter vorgetragenen Regelungen, §§ 12ff ZPO nicht anwendbar sind.

Bei einer Markenrechtsverletzung handelt es sich um eine unerlaub­te Handlung, so daß Prinzip des Erfolgsortes herrscht. Danach ist der Gerichtsstand der Rechtsstreitigkeit an dem Ort, an welchem der Effekt einer Handlung eintritt, maßgeblich. Richtet sich eine Webseite zumindest auch an Deutsche und kommen mehrere Erfolgsorte in Betracht, so besteht für den Gerichtstand ein Wahlrecht, § 35 ZPO. Da sich eine Webseite auch in dem Ort der Klägerin auf den Bild­schirm holen läßt, liegt eine mögliche Verletzungshandlung, egal wo der Server des jeweiligen Site­betrei­bers steht, auch in deren Ort.

Dieser Auffassung haben sich auch die OLG angeschlossen, es wird auf den Nachweis in Computer und Technik 2000, Heft I, S.71, verwiesen, und Zöller, Kommentar zur ZPO, § 32 Rn 17. welcher für Markenverletzungen im Internet Verletzungs­hand­lun­gen dort bejaht wo des Medium abrufbar ist.


Mein Kommentar:

Diese Argumentation ist durch die ZPO nicht gedeckt.

§ 32 ZPO lautet:
"Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist."

Die unerlaubte Handlung, wenn es denn eine gewesen wäre, wäre nicht das Lesen der Geschichte gewesen, sondern das Bereit­stellen respektive das Hochladen. Und das geschah von Kandel aus, womit erneut der Gerichtsstand Kandel wäre.

Dass Oberlandesgerichte den Ort des Lesens als "Tatort" bestimmen, ist ein erneuter Beweis für das verdrehte Denken mancher Juristen. Das erinnert mich an Ludwig Thomas Geschichte Der Vertrag, in der er die Hauptperson vorstellt mit den Worten "Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande. Er kümmerte sich nicht um das Wesen der Dinge, sondern ausschließlich darum, unter welchen rechtlichen Begriff dieselben zu subsummieren waren." Ludwig Thoma hat übrigens selbst Jura studiert.

Wie mir ein Anwalt mitteilt, findet jedoch die Ansicht des gegne­ri­schen Anwalts aus rechtlicher Sicht allgemeine Zustimmung. Das wundert mich keineswegs. Anwälte, die Klage erheben, finden es natürlich angenehm, sich den Ort aussuchen zu können, der für sie am bequemsten ist. Anwälte von Beklagten dagegen werden in einem Streit um den Gerichtsstand keine Energie verschwenden, die in der Streitsache selbst besser investiert ist.

So wird diese von den Oberlandesgerichten verdrehte Rechts­auf­fassung auch weiterhin Bestand haben, falls nicht der Gesetzgeber eingreift. In der Hoffnung, da etwas nachzuhelfen, habe ich eine Petition abgegeben.

Zurück zum Bericht