Von Annemarie Schoenle
"Ich weiß, ich weiß", sagte Ellen und maß die Runde ihrer Freunde mit einem kühlen Blick. "Das Hausfrauenthema ist abgedroschen. Und Ulrich hält mit sogar vor, ich sei eine Emanze. Aber ich bin trotzdem der Meinung, daß die Herren der Schöpfung es sich manchmal zu leicht machen."
"Du meinst, wir tun zuwenig in Haus und Garten?" fragte Daniel amüsiert und zwinkerte Gitta zu. Gitta war seine Frau und keine Emanze.
"Ja. ihr tut zuwenig. Und obendrein würdigt ihr unsere Bestrebungen, euch das Leben zu verschönern, in keiner Weise... "
"Meine liebe Ellen. Kein Mensch bestreitet, daß auch ihr zu tun habt. Und daß Hausarbeit eine äußerst sinnvolle Beschäftigung darstellt." In Daniels Stimme schwang amüsierte Herablassung.
"Aber sei doch einmal ehrlich: Die Welt ist es schließlich auch nicht, das bißchen Haushalt..."
"Was verstehst du unter ein 'bißchen Haushalt'?" fragte Gitta sanft. Es war ihre sanfte Art, die Daniel so liebte.
"Einen normalen Hausfrauentag. Mit Aufräumen, Einkaufen, Staubwischen und meinetwegen sogar noch mit Gästebewirtung am Abend. Na und? Sogar ich traue mir das zu."
"Ja? Tust du das?", fragte Ellen giftig. Sie hatte nie begriffen, was Gitta an diesem braungebrannten Macho fand.
"Was soll daran schon so Besonderes sein?"
Ellen warf ihm einen verächtlichen Blick zu. "Ja, natürlich", sagte sie. "Ist ja nur eine Glanzleistung an Organisationstalent und Selbstverleugnung. Und der unsinnige Versuch, sich einzureden, daß Anerkennung gar nicht wichtig sei und daß man gern alles zum Wohle der Familie tue."
"Jeder Beruf hat seine Nachteile. Und jeder Beruf bedarf einer guten Organisation. Ich muß im Büro auch an zehnerlei Dinge denken und planen und koordinieren..."
"Dafür hast du doch deine Sekretärin..."
"Und du eine Zugehfrau."
"Einmal die Woche."
Daniel überlegte. "Gut", sagte er dann. "Ich bin gern bereit, den Beweis anzutreten. Ich wette also, daß es mir ein leichtes sein wird, nächsten Samstag die Wohnung in Ordnung zu bringen, einzukaufen, einen Kuchen zu backen und euch sechs zusätzlich noch zu einem Abendessen einzuladen. Einverstanden?"
Gitta sah ihren Mann nachdenklich an. Ein kleines Lächeln lag um ihren Mund.
"Einverstanden", sage Ellen, und nun war sie es, die amüsierte Herablassung zeigte.
Am Samstag schlief Daniel lange. Gitta legte ihren Kopf auf seine warme Schulter und seufzte. Sie war eine hübsche, zierliche Frau Mitte Dreißig, reizend und anschmiegsam. Jedermann beneidete Daniel.
"Ist schön, so ein Samstagvormittag", meinte er und streckte sich genüßlich.
"Sehr schön" murmelte sie. Vor allem, wenn man ausnahmsweise einmal nichts zu tun hat. Kein Abwasch, keine Einkauferei, nichts. Wann krieg' ich denn nun eigentlich mein Frühstück?"
"Wieso?"
"Du hast deinen Haushaltstag heute. Hast du die Wette etwa schon vergessen ... ? "
Daniel schob Gittas Kopf unsanft zur Seite und richtete sich auf. "Ach Gott, ja", sagte er gedehnt. "Meine Wette." Sein schmales Gesicht wirkte etwas ratlos.
Zum Frühstück gab es dünnen Tee und Zwieback. "Ist besser, tagsüber maßzuhalten, wenn abends ausgiebig geschmaust wird", meinte Daniel salbungsvoll. Auch das Staubwischen erübrigte sich. Daniel konnte nämlich keinen Staub entdecken. Und die schmutzigen Schuhe an der Garderobe besprühte er mit farblosem Spray und stellte sie in den Schrank. "Ist schon toll, wie einfach heutzutage alles ist", sagte er zufrieden.
Dann holte er Gittas Kochbuch und studierte es mit der Gründlichkeit eines versierten Buchhalters.
"Es gibt als Vorspeise Käsesuppe, als Hauptgericht Filets Mignon mit einem Salat. Als Krönung des Ganzen eine Kalorienbombe: Mousse au Chocolat und Mokka", rief er, schlüpfte in seinen Mantel und nahm den Einkaufskorb.
"Du mußt noch Betten machen und die Katze versorgen. Und vergiß nicht die Reinigung. Ach ja. Und die Treppe trifft uns auch diesen Samstag. Und am Eßtisch fehlte eine Flügelschraube. Er steht etwas wacklig." Gitta strich Daniel über Haar. "Aber du schaffst das schon. Da bin ich ganz sicher. Bleibt ja dann nur noch das bißchen Kochen", sagte sie schelmisch.
Gegen Abend wirkte Daniel reichlich erhitzt. Er hatte rote Apfelbäckchen, eine heiße Stirn und den besorgt-heiteren Gesichtsausdruck eines Fernsehkochs, dessen Kuchen bereits zum drittenmal nicht aufging und der deshalb bereits zum zweitenmal den Witz dieser Woche zum besten gab. "Du hast keine Entenleber im Haus", rief er plötzlich aufgebracht.
"Entenleber?"
"Für die Filets Mignon. Man sollte wirklich voraussetzen, eine gute Hausfrau verfüge über eine gewisse Grundausstattung im Kühlschrank. "
"Und Entenleber ist Grundausstattung?"
Daniel verdrehte die Augen. "Natürlich ist Entenleber Grundausstattung. Womit soll man sonst die Filets Mignon belegen?"
Eine Stunde vor Ankunft der Gäste zeigte sein Hals rote Flecken, in seinem Haar hing Petersilie, seine Stimme neigte zu Panik. "Ich habe eine Bitte", sagte er zu Gitta, die gemütlich im Wohnzimmer saß und Mozart hörte.
"Soll ich dir ein wenig in der Küche helfen?"
"Nein, natürlich nicht." Daniels Gesicht war ganz empörte Verwunderung. "Nur..." Er zögerte. "Versprichst du mir, keinerlei Kommentare über das Essen abzugeben? Egal, was auf deinem Teller liegt?"
"Ich verspreche es. Und wenn es panierte Kohle wäre." Gitta lächelte ein besonders reizendes Lächeln.
Daniel verschwand wieder, und Gitta machte es sich erneut auf dem Sofa bequem. Ihr war absolut schleierhaft, wie er alles rechtzeitig schaffen wollte. Andererseits war das nun wirklich sein Problem. Er hätte halt den Mund nicht so voll nehmen dürfen.
Als die Gäste klingelten und augenzwinkernd nach der tüchtigen Hausfrau riefen, nahm ihnen Gitta die Mäntel ab.
"Er werkelt noch in der Küche", sagte sie, "und hat sogar die Tür versperrt. Trinken wir erst einmal einen kleinen Sherry zusammen?"
Wenig später betrat Daniel das Wohnzimmer. Er trug einen dunklen Anzug, die Petersilie war aus seinem Haar entfernt, sein Hals war wieder fleckenlos, sein Gesicht ruhig und abgeklärt. Mit einer tiefen Verbeugung servierte er die Käsesuppe. Es war eine hervorragende Käsesuppe. Dann folgten die kleinen, mit Leber und gedünsteten Äpfeln belegten Filets, die Schokoladencreme und der Mokka. Sogar an Gebäck hatte er gedacht, Und an Cognac.
Es war ein geradezu gelungenes Mahl: Jeder Gang ein kulinarischer Genuß. Daniels Gäste waren begeistert.
"Mann. Du hast deine Wette gewonnen. Das perfekte Essen", meinten sie. "Unsere Frauen kochen auch gut, aber so exquisit... " Sie schüttelten den Kopf und beglückwünschten sich sehr, männlichen Geschlechts zu sein. Ellen warf Gitta einen scharfen Blick zu. Gitta hob bedauernd die Schultern.
Am nächsten Vormittag stand sie in der Küche, trällerte ein Liedchen und spülte Geschirr.
"Na? Bist du zufrieden mit dem gestrigen Abend?" frage Daniel spitzbübisch.
"Aber ja, mein Schatz", antwortete Gitta. "War ein ausgezeichnetes Essen. Und alles hat geklappt wie am Schnürchen. Wenn man bedenkt, wie knapp deine Zeit bemessen war und daß du eigentlich keine Entenleber hattest..."
"Ist alles eine Sache der Planung." Er bückte sich und öffnete die Kühlschranktür.
"Und des Telefons, wie mir scheint."
"Wie meinst du das?" Erschrocken richtete er sich auf.
Gitta stellte vorsichtig Teller und Schüsseln aufeinander.
"Ich habe die Käsesuppe von Camille sofort erkannt", sagte sie. "Und auch die Filets. Nur er bereitet sie so zart und saftig zu. Armer Daniel! Du hast, als gar nichts klappen wollte, das ganze Essen in Camilles Lokal bestellt und es in Empfang genommen, während ich Mozart hörte, nicht wahr? Und dann alles in unsere eigenen Töpfe und Pfannen gelegt. Ein bißchen trügerisch, das Ganze, findest du nicht?" fragte sie mit unschuldigem Augenaufschlag.
"Wenn du keine Entenleber im Haus hast..." Er lachte unsicher.
"Und dann das Versprechen, das du mir abgeknöpft hast. Daß ich jeden Kommentar zu deinem Essen zu unterlassen hätte. Sehr, sehr raffiniert."
"Nun ja. Ein paar kleine Tricks sind doch wohl erlaubt, nicht?" Er war verlegen wie ein Schuljunge, der beim Abschreiben ertappt worden war. "Auch Flexibilität sollte eine gute Hausfrau besitzen", setzte er nervös hinzu.
Gitta seufzte. "Trotzdem. Ich glaube, ich muß mit Ellen telefonieren. Die Ärmste. Du hast ihre emanzipierte Seele total zerrüttet. Das kann ich doch nicht zulassen."
"Du rufst Ellen nicht an."
Sie überlegte. "Ach, Daniel, übrigens... In der Boutique 'Madeleine' hängt ein süßes Kleid..., ich glaube, das würde mir sehr gut stehen...", sagte sie denn. "Und eigentlich wäre es sehr nett, wenn du dich in Zukunft öfters in der Küche sehen ließest..." Sie reichte ihm ein Geschirrtuch.
"Und wenn ich es nicht tue?"
Gitta sah abermals zum Telefon. "Glaubst du, daß Ellen es auch den anderen tratschen würde?" fragte sie besorgt.
"Ein schickes Kleid hast du an", meinte Ellen ein paar Tage später. "Neu?"
"Ja."
"Wo ist eigentlich Daniel?"
"In der Küche. Er trocknet ab und hat außerdem einen Kuchen im Herd."
"Er trocknet ab?" Ellens zartes Gesicht rötete sich.
"Ja", sagte Gitta und lächelte. "Ist er nicht ein Schatz?"