Himmel und Hölle

Ein alter Pfarrer lag im Sterben. Er hatte jahrzehntelang über das Leben nach dem Tod gepredigt, über Himmel und Hölle, aber jetzt, in seiner letzten Stunde, kamen ihm mit einemmal Zweifel an den eigenen Lehren. Wie mochte es wirklich aussehen im Reich der Seligen und in dem der ewigen Verdammnis?

Inbrünstig betete er um Frieden für seine Seele. Als er geendet hatte, gewahrte er am Fußende seines Bettes die verschwom­me­nen Umrisse zweier männlicher Gestalten. Er erkannte sie sofort. Die große, kräftige war Moses, die andere Petrus, der Fischer. Sie winkten ihm, und er erhob sich und folgte ihnen durch das Sternenmeer des Nachthimmels bis zu einem mächtigen Bauwerk. Dort sagte Petrus: "Das Reich Gottes besteht aus vielen Hallen, ebenso die Hölle. Tritt ein! Wir zeigen dir den ersten Saal des Satansreiches."

Drinnen schlug ihnen ein fürchterliche Klagegeheul entgegen. Viele Menschen saßen um einen großen Tisch, in dessen Mitte eine Schüssel mit Ragout stand, dem Leibgericht des Pfarrers. Obwohl jeder einen Löffel hatte und die Schüssel erreichen konnte, litten alle Hunger, denn die Löffel waren doppelt so lang wie ihre Arme und an den Händen festgebunden, so daß sie sich wohl etwas von dem Essen nehmen, es aber nicht zum Mund führen konnten. Die armen Seelen jammerten so herzzerreißend, daß der Geistliche Petrus und Moses bat, ihn wegzuführen.

Sie brachten ihn zu einem anderen Bauwerk, fern von dem ersten. Moses sagte, es sei der Vorhof des Paradieses, und hieß ihn eintreten. Auch hier saßen viele Menschen um einen großen Tisch mit einer Schüssel Ragout darauf, und die Leute hatten genauso lange Löffel. Aber niemand mußte Hunger leiden: Sie fütterten sich gegenseitig.