von Ernst Heyda
»Morg'n, Schmittke«, sagte der Direktor. »Nehmen Sie Platz!«
»Sie haben mich rufen lassen, Herr Direktor?«
Direktor Haberland legte den Füllhalter auf den Schreibtisch und nickte.
»Ja, schon«, sagte er. »Nun passen Sie mal auf, Herr Schmittke: Wer, glauben Sie, sitzt nebenan?«
»Nebenan?« fragte der Buchhalter mit hochgezogenen Brauen. »Keine Ahnung. Steuer? Revision?«
Der Direktor beugte sich vor und sagte halblaut: »Ihre Frau!«
»Meine – meine Frau? Ja – was will sie denn? Ist zu Hause etwas passiert?«
»Nicht so laut«, beschwichtigte der Direktor. »Sie will eine Gehaltserhöhung für Sie! Sie haben doch erst vor einigen Monaten eine bekommen, Herr Schmittke, und warum schicken Sie mir Ihre Frau her? Konnten Sie nicht selbst…«
»Ich habe sie nie geschickt, Herr Direktor! Niemals!«
»Sie sagte, Sie seien nun dreiundzwanzig Jahre bei der Firma, in Anbetracht der allgemeinen Preiserhöhung und so weiter… Wie hoch war Ihre letzte Erhöhung?«
»Vier – vierzig Mark«, stammelte Herr Schmittke. »Und vor einem Jahr bekam ich achtzig Mark mehr.«
»Na, bitte! Das ist doch sehr schön. Glaubt denn Ihre Frau, unsere Firma…«
»Die Sache ist so«, sagte Buchhalter Schmittke. »Sie, also, von den Erhöhungen weiß sie gar nichts…«
Direktor Haberland starrte ihn an. »Sie hat keine Ahnung?«
»Keine«, sagte Herr Schmittke. »Ich habe ihr nichts davon gesagt. Man ist ja, hm, also, man ist doch ein Mann, der… Jedenfalls gibt sie mir von meinem Gehalt jeden Monat zwölf Mark Taschengeld, und… und man möchte ja mal etwas ausgeben können und so …«
»Zwölf Mark!« schnaubte der Direktor. »Das ist ja lachhaft! Ach so, und da haben Sie ihr nichts von den Gehaltserhöhungen gesagt und das Geld einfach behalten?«
Herr Schmittke nickte. »Ja. Und deswegen, weil sie keine Ahnung hat…, deswegen ist sie wohl gekommen. Von mir ist das nicht ausgegangen, so etwas mache ich nicht…«
Der Direktor fuhr sich durch die Haare und sah zur Decke. »Zwölf Mark«, knurrte er. »Unglaublich, diese Frauen! Aber ich kann Ihnen doch keine neue Gehaltserhöhung bewilligen, Herr Schmittke. Sie wissen doch, daß ich nicht allein zuständig bin. Was machen wir denn bloß?«
Er stand auf und ging im Büro auf und ab. »Am besten, Sie geben alles zu und…«
»Niemals, Herr Direktor!« sagte der Buchhalter. »Dann sitze ich wieder auf meinen zwölf Mark – und das reicht nicht mal für Zigarren…«
»Nee,reicht nie«, sagte der Direktor. »Du meine Güte, diese Frauen! Entsetzlich! Ja, was – na ja, passen Sie mal auf! Etwas einbüßen werden Sie, Herr Schmittke. Ich sage ihr, daß Ihr Gehalt um vierzig Mark erhöht wird. Die sind futsch, da kann ich nichts ändern. Immerhin bleiben Ihnen die achtzig von der vorletzten Erhöhung. Und ich will sofort mit dem Vorstand reden, 'raus schlagen müssen wir sie wieder, das wäre ja gelacht, wenn ein Mann wie Sie wegen seiner Frau…«
»Danke, Herr Direktor«, sagte Herr Schmittke.
Der Direktor ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Ich werde dann mit ihr reden«, seufzte er. »Was wir Männer aber auch alles mitmachen müssen…« Er schüttelte wieder den Kopf. Dann sagte er: »Aber so geht das zu, Schmittke! Was glauben Sie denn, wie es mir ginge, wenn ich nicht ab and zu mal ein paar Spesen für mich herausschinden könnte, von denen meine Frau nichts weiß…?«