Von Erich Schlaikjer
Wir saßen um einen runden Tisch herum. Draußen heulte der Sturm, und der Regen klatschte an die Fenster. Über unserem Tisch brannte friedlich die Flamme. Wir tranken Bier.
Einer von uns hatte einen Kater. Man sah es äußerlich daran, dass er mit starkem innerem Schauder gegen einen Schnaps ankämpfte, von dem er Linderung erhoffte.
Wir anderen sahen interessiert zu. Bald schien der Schnaps die Oberhand behalten zu sollen, bald wieder wurde der innere Schauder übermächtig. Die Schlacht wogte unentschieden hin und her.
Es war für uns ein sehr lohnendes Schauspiel. Einmal genossen wir ein reines Gefühl der moralischen Überlegenheit, und zweitens freuten wir uns, dass er den Schnaps nicht herunterbringen konnte. Wir hatten unseren Einleitungsschnaps glatt bewältigt.
Schließlich siegte der Schnaps. Von einem starken Schüttelfrost begleitet, rollte er in die Tiefe, um dort unten seine Mission zu erfüllen. Und nun schien über den müden Kämpfer ein Zustand tiefer Ruhe zu kommen. Er versank in ein dumpfes Brüten. Wir andern sagten inzwischen: "Prost." Auf einmal erhob er die Augen und blickte träumend vor sich hin.
"Ich will ein neues Wort erfinden", sagte er langsam, "und das will ich noch heute Abend in die deutsche Sprache einführen."
Eine leichte Unruhe ging um den Tisch. Wir sahen uns schweigend an, aber wir ließen ihn gewähren. "Ihr sollt die ersten sein, die das Wort vernehmen. Es heißt 'repunsieren', mit einem u in der zweiten Silbe. Wer es mit o schreibt, macht einen Fehler."
"Ist dir nicht wohl, mein Junge?" fragte einer von uns. Auch wir andern waren besorgt.
Aber dann richtete er sich plötzlich straff auf. Sein Auge blitzte vor Energie. Wir saßen starr vor Entsetzen.
"Kellner!" rief er mit Stentorstimme.
Der Oberkellner kam.
"Kann ich bei Ihnen repunsieren?"
"Selbstverständlich", buckelte der Kellner, "es sind acht Halbe und vier Schnäpse."
Wir repunsierten und gingen.
Auf der Straße hüllten wir uns fester in unsere Mäntel. Der mit dem Kater ging stillschweigend und bis zum äußersten entschlossen voran. Vor einer famosen Kneipe blieb er stehen. Der Mann hatte einen fabelhaften Sinn für famose Kneipen.
Wir saßen wieder um einen runden Tisch und tranken Bier. Der Wirt kam zu uns heran und erkundigte sich besorgt nach unserem Wohlsein. Wir lobten das Bier.
"Alles ganz gut und schön", sagte der mit dem Kater, "aber ich möchte auch gern repunsieren."
"Sofort", sagte der Wirt und brachte das "Hamburger Fremdenblatt".
Wir repunsierten das "Hamburger Fremdenblatt" und gingen.
Draußen kam mehr Wasser herunter, als unseren Neigungen entsprach. Aber zum Glück brauchten wir nur quer über die Straße zu gehen. Dann saßen wir wieder um einen runden Tisch.
"Wie ist es hier mit dem Repunsieren?" fragte der mit dem Kater, als das Bier gebracht wurde.
"Bitte, dort hinten links, zwei Stufen", sagte der Kellner.
Er ging hinaus und repunsierte. Dann leerten wir die Krüge.
"Wenn nur das Sauwetter aufhören wollte", stöhnte draußen einer von uns; "sollen wir das Wort überall einführen, haben wir noch viel zu tun."
Der mit dem Kater aber ging todesmutig voran. In der neuen Kneipe wurden wir von einer hübschen Büfettmamsell angenehm überrascht.
"Sieh!" sagte einer von uns.
"Sieh, sieh!" sagte ein anderer.
Der mit dem Kater aber ging entschlossen auf sie zu.
"Mein Fräulein", sagte er chevaleresk, "kann im bei Ihnen repunsieren?"
Der Himmel mag wissen, wie dieses merkwürdige Weib das Wort abgeleitet hat. Sie verwandelte sich plötzlich in eine Furie.
"Was fällt Ihnen ein, Sie frecher Kerl? So etwas ist ja noch gar nicht da gewesen. Wen glauben Sie eigentlich vor sich zu haben?"
Der mit dem Kater verharrte in unerschütterlicher Ruhe.
"Im weiß gar nicht, was Sie wollen. Repunsieren ist doch kein Verbrechen."
Der Wirt kam eilig heran und nahm ihn beiseite. Er entschuldigte sich. Das Fräulein sei noch jung im Dienst usw.
Der mit dem Kater nahm eine Gönnermiene an. "Repunsieren Sie mich wieder", sagte der Wirt, als wir gingen.
Damit hatten wir den ersten aktiven Anhänger gewonnen. Und das stieg dem mit dem Kater zu Kopf.
"Jetzt will ich auch noch das Hauptwort bilden", sagte er, als wir draußen waren.
"Bei dem Hundewetter", versuchte einer abzulenken.
"Ich pfeife auf das Wetter." Er war ganz rabiat geworden. "Repunsion, mit einem u in der zweiten Silbe. Wer es mit einem o schreibt, macht einen Fehler. "
Damit ging er wieder todesmutig voran.
"Wenn wir das Hauptwort auch noch einführen sollen, melde ich mich morgen bei meinem Arzt mit Delirium", stöhnte mein Nebenmann. Im selben Augenblick verschwand unser Hauptmann in einer Kneipe.
Wir saßen wieder um einen runden Tisch.
"Mir ist jetzt alles egal", sagte der Nebenmann von vorhin "Meinetwegen können wir das Stadtgebiet von Altona auch noch übernehmen."
Glücklicherweise bekam unser Anführer nunmehr einen seiner melancholischen Anfälle. Wir konnten unser Bier mit mehr Ruhe trinken. Aber dann kam der Wirt.
Er beklagte sich über das schlechte Wetter.
Das taten wir auch.
Er sagte, es sei ein Schweinewetter.
Das sagten wir auch.
"Wie steht es hier mit der Repunsion?" fragte der mit dem Kater.
"Wenn ich Ihnen sage: Glänzend! 3 Linien führen an der Tür vorbei. Und die elektrische Vorortbahn ist auch nicht weit."
Als wir hinauskamen, wollte der Unglücksmensch auch noch ein Adjektiv bilden. Aber da überwältigten wir ihn und brachten ihn in eine Droschke.
"Habt ihr den Kutscher repunsiert?" fragte er aus dem Fenster heraus.
Dann sauste das Auto davon.
Am nächsten Abend saßen wir wieder in derselben Kneipe, die wir zuletzt verlassen hatten. Der mit dem Kater war nicht dabei. Seine Frau hatte ihm eine häusliche Repunsion von 24 Stunden auferlegt.
Auf einmal packt mich mein Nebenmann am Arm und starrt entgeistert geradeaus.
Allmächtiger Gott! An der Wand hing ein Plakat.
Angenehmster Aufenthalt für Familien.
Vortreffliche Speisen. Wohlgepflegte Getränke.
Glänzende Repunsion nach allen Seiten.
"Wir können es nicht mehr verantworten", sagte mein Nebenmann. Es war von jeher ein besonnener Charakter. "Es können noch mehr Plakate kommen. "
Zum Beispiel:
"Das Büfettfräulein darf nicht repunsiert werden."
"Machen wir ein Ende! Machen wir um Gottes willen ein Ende!" Er stöhnte förmlich vor Entsetzen.
Und so machten wir ein Ende.