Viel vom amerikanischen Güterfernverkehr wird durch die Überland-Transportgesellschaften besorgt. In jedem Marktflecken haben diese Gesellschaften ihren Vertreter, der die Waren entgegennimmt oder ausliefert. Platzvertreter der Express-Co. in Westcote, Wisconsin, war Mike Flannery. Vor ihm stand ein Kunde, Herr Morehouse, und bebte vor sprachloser Wut. Zwischen beiden auf dem Zahltisch war eine Seifenschachtel aufgebaut, in der zwei scheckige Meerschweinchen gefräßig Salatblätter knabberten.
"Tun Sie also, was Sie wollen!" schrie Flannery. "Zahlen Sie dafür und nehmen Sie sie mit – oder zahlen Sie nicht und lassen Sie sie da! Vorschriften sind Vorschriften, Herr Morehouse, und Mike Flannery gehört nicht zu denen, die dagegen verstoßen!"
"Aber zum Teufel", schrie Morehouse zurück, "können Sie denn das hier nicht lesen – in Ihren eigenen gedruckten Preissätzen: 'Haustiere, zahm, 25 Cent pro Stück?'" Indem er seine Stimme zu einer gekünstelten Ruhe zwang, sagte er langsam, mit betont beißendem Spott: "'Haustiere, Ha=us=tie=re! 25 Cent das Stück.' Zweimal 25 macht 50! Können Sie das begreifen? Ich biete Ihnen 50 Cent!"
Flannery griff nach dem Transporttarif. "Und ich nehme keine 50 Cent", flüsterte er mit verhaltener Wut. "Hier steht die Verhaltungsmaßregel: 'Wenn der Vertreter im Zweifel ist, welcher von beiden Sätzen in Anwendung kommen soll, ist der höhere anzusetzen. Der Warenempfänger kann Einspruch wegen Überforderung erheben.' In diesem Fall bin ich im Zweifel. Haustiere mögen diese Tiere hier ja sein, zahm sind sie gleichfalls – aber sie sind auch Schweine, und meine Tarifvorschriften sagen: 'Schweine von New York nach Westcote: 30 Cent das Stück!'"
"Sie armer, unwissender Ausländer!" schnaubte Morehouse. "Damit sind doch gewöhnliche Schweine gemeint, keine Meerschweine!"
"Schwein ist Schwein", erklärte Flannery unbeirrt. "Das Ursprungsland des Schweines bedeutet keinen Unterschied im Beförderungspreis, Herr Morehouse."
"Es ist ein Skandal!" brüllte Morehouse. "Ihr Vorgesetzter wird das Nötige zu hören bekommen! Behalten Sie die Schweine, bis Sie bereit sind, fünfzig Cent dafür anzunehmen! Aber bei Gott, werter Herr, wenn ein Haar auf dem Kopf jener Schweine gekrümmt ist, werde ich das Gesetz gegen Sie mobil machen!"
Er schritt würdevoll hinaus. Flannery hob sorgfältig die Seifenschachtel vom Zahltisch. Er war nicht beunruhigt. Er fühlte den Frieden, der einen getreuen Diener überkommt. Herr Morehouse ging indessen wütend nach Hause. Sein Junge, der auf die Meerschweinchen sehnsüchtig gewartet hatte, begriff sofort, dass er nicht nach ihnen fragen durfte.
"Wo ist Feder und Tinte?" rief Morehouse seiner Frau zu, kaum dass er die Türschwelle überschritten hatte. "Ich werde es diesem verrückten Kerl einbrocken! Wenn seine Gesellschaft diesen Brief erhält, wird er sich nach einem anderen Posten umsehen müssen!"
Eine Woche später erhielt Herr Morehouse die Antwort: "Wir bestätigen den Empfang Ihres an den Vorsitzenden unserer Gesellschaft gerichteten Schreibens betreffs Tarifsätze für den Transport von Meerschweinchen von New York nach Westcote. Alle Reklamationen wegen Überforderung bitten wir an unsere Rechtsabteilung zu senden."
Herr Morehouse sandte der Rechtsabteilung eine sechs Seiten lange Auslese von Spott und Beweisführung. Ein paar Wochen später antwortete die Rechtsabteilung:
"Ihr an unsere Abteilung gerichteter Brief betreffs Tarifsatz für Meerschweine hat uns erreicht. Unser Vertreter in Westcote unterrichtet uns, dass Sie Hinterlegung des Betrages ablehnten. Sie besitzen deshalb keine Ansprüche gegen diese Abteilung, und Ihren Brief, betreffend richtigen Tarifsatz, bitten wir an unsere Tarifabteilung zu richten."
Herr Morehouse schrieb an die Tarifabteilung, wobei er ein oder zwei Seiten aus dem Lexikon zitierte, um zu beweisen, dass Meerschweinchen keine gewöhnlichen Schweine sind. Mit der Sorgfalt, die für gut durchorganisierte Gesellschaften in den Staaten bezeichnend ist, lief dieser Brief durch alle vorgeschriebenen Kanäle, wurde verbucht, und die dazugehörigen Unterlagen wurden ihm beigeheftet.
Der Leiter der Tarifabteilung legte seine Füße auf den Schreibtisch und gähnte. Er sah flüchtig die Papiere durch. "Fräulein Watson", sagte er dann, "schreiben Sie bitte: 'An die Vertretung in Westcote. Bitte, geben Sie Auskunft, warum bei dem in beigehefteten Papieren erwähnten Versandgut der Tarif zahme Haustiere verweigert wurde.'"
Er sah noch einmal die Papiere durch. "Hu! Meerschweinchen!" sagte er. "Vermutlich inzwischen verhungert. Fügen Sie noch hinzu: 'Geben Sie Auskunft über den derzeitigen Zustand der Versandware.'"
Als Mike Flannery diesen Brief erhielt, kratzte er sich den Kopf. "Geben Sie Auskunft über den derzeitigen Zustand!" wiederholte er nachdenklich. "Was wollen die dort wohl wissen? – Die Schweine sind bei guter Gesundheit, soviel ich davon verstehe, aber ich war nie Tierarzt. Vielleicht möchten sie, dass ich den Viehdoktor kommen und besagten Schweinen den Puls fühlen lasse." – Um sicher zu sein, sein Bericht decke sich auch mit den Tatsachen, schaute Flannery in den Verschlag. "An Herrn Morgan, Leiter der Tarifabteilung", schrieb er sodann. "Warum ich sage, Meerschweine seien Schweine? Weil sie Schweine sind und das bleiben, bis Sie mir sagen, sie seien keine. So lautet das Vorschriftsbuch. Was ihre Gesundheit anbetrifft, so sind sie alle wohlauf und hoffe das gleiche von Ihnen. – PS. Es sind jetzt ihrer acht, alle tüchtige Fresser. PPs. Ich verauslagte 2 Dollar für Kohl. Soll ich Rechnung darüber einsenden?"
Als er diesen Brief erhielt, lachte Morgan. Er las ihn noch einmal und wurde dann ernst. "Weiß der Himmel", sagte er. "Flannery hat recht: 'Schwein ist Schwein.' Ich werde Fachauskunft darüber einholen müssen. Inzwischen, Fräulein Watson, schreiben Sie: 'An den Vertreter in Westcote. Betrifft Versand von Meerschweinchen, siehe Liste A 6754, Vorschrift 83, Anleitungen für Agenten, erteilt deutlich die Weisung, der Vertreter habe sämtliche Lager-, Unterhalts- usw. Kosten vom Warenempfänger einzuziehen. Schreiten Sie zum Inkasso.'"
Flannery erhielt diesen Brief am nächsten Morgen. "Ich und um zwei Dollar fünfzig bei Herrn Morehouse zum Inkasso schreiten!" sagte er leise. "Ich möchte wissen, ob diese Bürohengste Herrn Morehouse kennen!"
Flannery fuhr mit dem Wagen der Express-Co. bei Herrn Morehouse vor. "Aha!" rief Morehouse, als er sah, wer es war. "Also sind Sie doch endlich zur Vernunft gekommen, was? Bringen Sie die Schachtel herein!"
"Ich habe keine Schachtel", sagte Flannery kühl. "Ich habe eine Rechnung für Herrn John Morehouse über 2 Dollar 50 für Kohl, den seine Meerschweinchen gefressen haben. Wollen Sie bar bezahlen?"
Als Antwort warf ihm Herr Morehouse die Türe vor der Nase zu. Flannery sah vorwurfsvoll die Türe an. "Anscheinend lehnt der Empfänger Bezahlung der Kohlköpfe ab", sagte er.
Herr Morgan, der Leiter der Tarifabteilung, zog den Vorsitzenden zu Rat. Der Vorsitzende wollte die Sache zuerst von der leichten Seite nehmen. "Wie lauten die Tarifsätze?" fragte er. – "Schweine 30 Cent, zahme Haustiere 25 Cent", sagte Morgan. – "Dann sind natürlich Meerschweinchen Schweine", sagte der Vorsitzende. – "Jawohl", pflichtete ihm Morgan bei, "ich sehe die Sache ebenso an. Ein Gegenstand, der unter zwei Tarifsätze fallen kann, fällt natürlich unter den höheren. Aber sind nun Meerschweinchen wirklich Schweine? Sind sie nicht Karnickel?"
"Genau besehen", sagte der Vorsitzende, "sind sie meiner Ansicht nach mehr Karnickel. Eine Art Bindeglied zwischen Schwein und Karnickel. Ich glaube, die Frage lautet: Gehören Meerschweinchen der Familie der Stallschweine an oder nicht? – Ich werde Professor Gordon fragen. Lassen Sie die Unterlagen da!"
Der Vorsitzende schrieb an Professor Gordon. Unglücklicherweise befand sich der Professor gerade in den höchsten Anden und sammelte zoologische Arten, so dass der Brief viele Monate brauchte, ehe er ihn erreichte. Der Vorsitzende vergaß die Meerschweinchen. Morgan vergaß sie, Herr Morehouse vergaß sie, aber Flannery vergaß sie nicht. Die Hälfte seiner Zeit war nunmehr ihnen gewidmet. Lange bevor Professor Gordon den Brief des Vorsitzenden erhielt, empfing Morgan einen von Flannery:
"Was diese Meerschweinchen betrifft, was soll ich tun? Sie führen ein fruchtbares Familienleben, es sind jetzt ihrer 32. Soll ich sie verkaufen, oder halten Sie Ihre Niederlage in Westcote für eine Menagerie? Antworten Sie rasch!" Morgan telegrafierte: "Schweine nicht verkaufen." Dann schrieb er an Flannery und machte ihn darauf aufmerksam, die Schweine seien nicht etwa Eigentum der Gesellschaft, sondern würden lediglich bis zur Beilegung eines schwebenden Tarifstreites zurückgehalten.
Flannery betrachtete die Meerschweinchen und seufzte. Der Käfig war zu klein geworden. Er zäunte die rückwärtige Hälfte des Büros ab. Er arbeitete mit fieberhafter Hast auf seinen Geschäftsgängen, denn die Schweine beanspruchten das meiste seiner Zeit. Einige Monate später ergriff er in Verzweiflung ein Blatt Papier, schrieb "160" quer darüber und sandte es an Morgan. Morgan schickte es mit der Bitte um Aufklärung zurück. Flannery antwortete: "Jetzt 160 Meerschweinchen, um Himmels willen, lassen Sie mich einige davon verkaufen! – Oder wollen Sie, dass ich verrückt werde?"
"Keine Schweine verkaufen", drahtete Morgan.
Nicht lange danach erhielt der Vorsitzende Nachricht von Professor Gordon. Der lange und gelehrte Brief hob hervor, das Meerschwein sei "Cavia porcellus", während das gewöhnliche Schwein der Gattung "Sus" von der Familie "Suidae" angehöre.
"Sie sind also keine Schweine", sagte der Vorsitzende zu Morgan. "Der 25-Cent-Tarif ist zuständig." Morgan machte den entsprechenden Eintrag in die Papiere und leitete sie an die Abrechnungsabteilung weiter. Die Abrechnungsabteilung schrieb nach der üblichen Wartezeit an Flannery, er solle, da er 160 Meerschweinchen, das Eigentum eines Kunden, in Verwahrung habe, diese zur Ablieferung bringen und dafür eine Gebühr von 25 Cent pro Stück kassieren. Flannery wandte einen Tag daran, seine Pfleglinge zu zählen, indem er sie durch einen engen Durchlass im Käfig pferchte. "An die Abrechnungsabteilung", schrieb er dann. "Mag sein, dass es einmal 160 Meerschweinchen waren, aber ich habe jedenfalls jetzt bereits an die 800. Wie steht es mit den 64 Dollar, die ich für Kohl verauslagt habe?"
Viele Briefe gingen hin und her, ehe die Abrechnungsabteilung verstehen konnte, wieso der Irrtum begangen worden war, 160 Meerschweinchen statt 800 in Rechnung zu stellen, und noch mehr Briefe, um herauszubekommen, was unter "Kohl" zu verstehen war.
Flannery war jetzt auf ein paar Quadratmeter im Vorderteil des Büros eingeschränkt, und zwei Jungen waren dauernd damit beschäftigt, für die Schweinchen zu sorgen. Am Tag, nachdem Flannery sie gezählt hatte, kamen acht neue dazu, und zu der Zeit, als ihm endlich die Abrechnungsabteilung Vollmacht erteilte, für 800 einzukassieren, hatte er aufgehört, sich noch um die Entgegennahme oder Auslieferung von Waren zu kümmern. Er baute Laufgänge um das Büro herum, Stockwerk auf Stockwerk. Er hatte jetzt für 4064 Meerschweinchen zu sorgen. Täglich kamen neue an.
Sofort nach Übersendung ihrer Vollmacht sandte die Abrechnungsabteilung einen weiteren Brief, aber Flannery war zu beschäftigt, um ihn zu öffnen.
Sie schrieben noch einen, dann telegrafierten sie: "Irrtum in Meerschweinchenrechnung. Kassiert für 2 Stück 50 Cent. Liefert sämtliche an Auftraggeber." Flannery las das Telegramm und ging den ganzen Weg zum Haus des Herrn Morehouse zu Fuß. Am Zaun blieb er plötzlich stehen. Ein Schild über dem Eingang besagte: "Zu vermieten." Das Haus stand leer. Flannery rannte den ganzen Weg zu dem Expressbüro zurück. 60 Schweinchen waren während seiner Abwesenheit geboren worden. Er lief wieder hinaus und zog fieberhaft Erkundigungen im Ort ein. Herr Morehouse war nicht nur um-, sondern weggezogen. Flannery drahtete der Abrechnungsabteilung: "Kann nicht kassieren. Empfänger unbekannt verzogen. Was soll ich tun?"
Ein Angestellter der Rechnungsabteilung lachte, als er das Telegramm las. "Flannery muss verrückt geworden sein", meinte er. "Er sollte wissen, dass das vorschriftsmäßig Richtige ist, die Versandware im Falle der Unbestellbarkeit hierher zurückgehen zu lassen." Er telegrafierte Flannery.
Flannery machte sich verzweifelt ans Werk. Die sechs Buben, die er angestellt hatte, machten sich gleichfalls ans Werk. Sie arbeiteten mit der Hast Verzweifelter, indem sie Verschläge zurechtzimmerten. Tag um Tag flossen die Käfige voll Meerschweinchen als steter Strom von Westcote nach New York. Am Ende der Woche hatten sie 280 Kisten verschickt, und im Büro waren 704 Schweinchen mehr als zur Zeit des Beginns.
"Stoppt Schweinchenversand, Lagerhaus voll!" kam ein Telegramm. Flannery hörte nur gerade so lange mit dem Einpacken auf, um zu antworten: "Kann nicht stoppen." Mit dem nächsten Zug kam ein Beauftragter der Gesellschaft mit der Weisung an, den Strom von Meerschweinchen um jeden Preis zu stoppen. Wie sein Zug einfuhr, sah er einen Viehwagen auf dem Nebengleis stehen. Als er das Expressbüro erreichte, sah er den Express-Lieferwagen vor der Tür vorgefahren. Sechs Buben trugen Strohkörbe voll Meerschweinchen aus dem Büro heraus und entleerten sie in den Wagen. Drinnen schaufelte Flannery, ohne Jacke und Weste, in Hemdsärmeln mit einer Holzschaufel Meerschweinchen in Körbe.
Er blickte zu dem Beauftragten mit einem Anflug von Zorn hoch. "Eine Wagenladung mehr und ich bin sie los, und nie mehr werden Sie Mike Flannery mit ausländischen Schweinen einfangen! Nein, mein Lieber! Das nächste Mal werde ich wissen, dass ein Schwein, von welchem Ursprungsland immer es sein mag, ein zahmes Haustier ist – und zum billigsten Satz befördert wird."
Er fing wieder eifrig zu schaufeln an. Dann machte er gerade lange genug eine Pause, um einen der Buben seinen Korb hinstellen zu lassen. Nur noch ein paar Meerschweinchen waren übrig. Wie er die abnehmende Zahl wahrnahm, kehrte seine alte Gewohnheit, alles von der lustigsten Seite zu sehen, wieder: "Nun, jedenfalls", sagte er gutgelaunt, "es ist nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Was aber, wenn diese Schweinchen Elefanten gewesen wären?"