Ambivalenz der Religion

Warum haben manche Menschen Angst vor einem strafenden Gott, und andere Vertrauen in seine Güte?
Das liegt vor allem an Einflüssen in der Kindheit:

Schritt 1: Ambivalenz der Lehre

Die religiösen Lehren enthalten sowohl Angst machende als auch tröstende Elemente. Die Bibel (und Berichte anderer Religionen) erzählt sowohl von einem gnadenlos strafenden als auch einem helfenden, beschützenden Gott.

Doch was nehmen die Menschen in ihrer Kindheit davon auf?

Schritt 2: Beitrag der Erziehung

Kinder sind noch abhängig von Menschen, die sich um sie kümmern (Bezugspersonen). Diese Menschen können je nach eigener Einstellung entweder liebevoll-sorgend, oder streng-strafend sein.

Die Erfahrung mit diesen Bezugspersonen sind ganz reale Erlebnisse, die die Vorstellungskraft der Kinder (und späteren Erwachsenen) prägen.

Schritt 3: Wirkung der Kombination

Die so vorgeprägten Kinder werden dann im Lauf der Erziehung mit den religiösen Lehren konfrontiert. Mal abgesehen davon, dass auch die Lehren selektiv vorgetragen werden können und dann entweder den liebenden oder den strafenden Gott betonen, ist es auch so, dass ein Mensch vorwiegend das aufnimmt, was er kennt, was ihm vertraut ist, während das andere mehr wirkungsarm an ihm abfließt.

Ein Kind mit liebevoll-sorgenden Bezugspersonen wird also bevor­zugt die Erzählungen vom liebevoll-sorgenden Gott aufnehmen und verinnerlichen.

Ein Kind mit streng-strafenden Bezugspersonen dagegen bevorzugt die Erzählungen vom streng-strafenden Gott.

Als Folge dieser Kombination aus Erziehung und religiösen Lehren werden die Kinder und späteren Erwachsenen also entweder mit Vertrauen auf Gott oder mit Angst vor Gott leben.

Schritt 4: Auswirkung auf Verhalten

4a) Vertrauen auf Gott

Menschen mit Vertrauen auf Gott haben das Gefühl, dass ihnen nichts wirklich schlimmes geschehen wird. Ok, sterben müssen alle mal, und aus eigenen Fehlern oder reinem Zufall kann es auch Unfälle und Krankheiten geben. Aber da sie nicht einer bösartigen Macht zugerechnet werden, sind sie leichter zu überwinden, was wieder das Gefühl eines sorgenden Gottes verstärkt (sich selbst erfüllende Prophezeiung).

Das Vertrauen auf Rückendeckung (oder wenigstens Neutralität) durch eine höhere Macht gibt Kraft und Mut, führt zu Handlungs­bereit­schaft und Verantwortungsbewusstsein. Und die Erfolge bestätigen diese Einstellung.

Verantwortungsbewusstsein muss ich noch extra erklären:

Warum führt das Vertrauen in der Regel nicht zu Rücksichts­losigkeit? (Ausnahmen: Sich "auserwählt" fühlende Psychoten. Aber die sind auch in der Regel 4b) Zum einen, weil auch Menschen mit Gottvertrauen der Mechanismus von Ursache und Wirkung, von Verhalten und Konsequenz (nicht zu verwechseln mit Strafe) nicht fremd ist, zum zweiten, weil man sich mit einem liebevollen Wesen verbunden fühlt und damit auch seinen mutmaßlichen Zielen.

4b) Angst vor Gott

Menschen mit Angst vor Gott fürchten ständig, für irgendwelche Fehler ("Sünden") bestraft zu werden. Negative Erfahrungen, deren Ursachen nicht offensichtlich sind, werden schnell als "Strafe" interpretiert, und um sie zu verstehen, wird nach einer "Schuld" gesucht, um Schuld und Strafe künftig vermeiden zu können.

Das führt zu Vermeidungsverhalten, sowohl hinsichtlich eigen­ständi­gem Handeln als auch eigener Verantwortung. Es werden geistige Führer ("Gurus") gesucht, denen man folgt, damit man von der Verantwortung und damit einer drohenden Strafe entbunden ist. Passiert dann doch etwas, hilft u.U. die Suche nach einem Sünden­bock, der "in Wirklichkeit" schuld ist und bestraft wird, um Gott gnädig zu stimmen.