Es

Philosophischer Auszug aus Dänikens "Aussaat und Kosmos".

Wer oder was hat das Universum erschaffen?
Wer oder was hat die Sterne im All installiert?
Wer oder was bedient die »Schalthebel« im Weltenraum und macht sich einen Spaß daraus, Sterne zusammenprallen, Sonnen explo­die­ren und ganze Galaxien ineinander rasen zu lassen?
Wer oder was hat erstem Leben den »Odem eingehaucht« ?
Wer oder was wollte, dass intelligentes Leben entsteht, dass wir so wurden, wie wir sind?
Wenn alles, was ist, von dem einen und einzigen Gott geschaffen wurde, dann musste dieser Gott gerecht, allmächtig und gut sein, denn alles ist Schöpfung nach seinem Willen.
Warum lässt dieser allmächtige Gott Kriege entstehen, Blut und Tränen fließen?
Warum lässt dieser gerechte Gott Mord an unschuldigen Kindern geschehen?
Wenn dieser weise Gott will, dass ihm alle Menschen »dienen«, wie die Religionen sagen, warum lässt er dann auf einem einzigen Planeten 20000 Religionen und Sekten zu, die sich in seinem Namen in blutigen Auseinandersetzungen bekriegen?
Wie kann im Namen dieses Gottes, der, wie die Religionen sagen, einst Mensch war und darum Menschen in ihrem Glück und in ihrer Not verstehen muss, Kriegsgerät verfeindeter Parteien für den Sieg gesegnet werden? Dürfte der wissende Gott den Segen nicht nur der einen Partei angedeihen lassen, die tatsächlich in seinem Namen, Auftrag und Willen kämpft?
Warum dürfen Schurken und Schufte, Halsabschneider und falsche Richter des gleichen Glückes teilhaftig sein wie die guten Kreaturen unter Gottes Sonne?
Wie kann ein weiser und gütiger Gott es zulassen, dass die Reichen reicher, die Armen ärmer werden, da doch alle seine Kinder sind?
Welchen Sinn hat dieser eine Gott intelligentem Leben überhaupt zugedacht?

Auf den folgenden Seiten befasst sich Däniken mit den wissen­schaft­li­chen Erkenntnissen über die Entwicklung des Weltalls und des Lebens, als Grundlagen für die nachfolgenden Ausführungen:

Wo aber ist diesem von der Wissenschaft errichteten großartigen Denkmodell noch Platz für den »lieben Gott« ?

Die Personifizierung der Kraft, die vor, dem Ur-Knall vorhanden gewesen sein muss, in dem Namen Gott und die aus diesem Begriff durch die Katecheten unter die Gläubigen gebrachten Vorstellungen von dem gütigen alten Herrn verstellen den Blick.

Die urgewaltige Kraft, die vor dem Beginn allen Werdens bestand, war ein Neutrum. Es war, vor dem Big Bang existent. Es löste die große Zerstörung aus. Es ließ daraus alle Welten des Universums entstehen. Es, körperlose Urkraft, bestimmender Urbefehl, wurde Materie und: Es kannte das Resultat der großen Explosion. Es wollte zur erlebten Erfahrung gelangen.

In zahlreichen Diskussionen habe ich diese meine Vorstellung an einem sehr vereinfachten Denkmodell zu erläutern versucht. Terrible simplificateur!

Man denke sich, schlug ich vor, einen Computer, der mit 100 Milliarden Denkeinheiten (Bits in der Fachsprache) arbeitet. Dieser hätte, wie es Professor Michie von der Universität Edinburgh, der den Prototyp des ersten denkenden Computers entwickelte, formulierte, ein »persönliches Bewusstsein«. Das persönliche Bewusstsein des Computers ist fest an die komplizierte Maschinerie mit ihren Milliarden Schaltstellen fixiert. Würde dieser Computer sich selbst in die Luft sprengen, wäre sein »persönliches Bewusstsein« zerstört – sofern der intelligente Computer nicht vor der Explosion alle Milliarden Bits magnetisiert hätte. Die Explosion findet statt. 100 Milliarden Bits schießen, je nach Größe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in alle Richtungen. Das anfänglich zentrierte Computer-Bewusstsein existiert nicht mehr, aber der clevere Selbstzerstörer hatte die Zukunft nach der Explosion programmiert: alle magnetischen Bits mit ihren Einzelinfor­ma­tio­nen werden irgendwann wieder am Zentrum der Explosion eintreffen. Jedes Bit bringt, zurückgekehrt, in das ursprüngliche »persönliche Bewusstsein« der großen Maschinerie einen neuen Faktor mit – die persönliche Erfahrung. – Vom Moment der Explosion bis zum Augenblick der Rückkehr »wußte« kein Bit, dass es winziges Teilchen eines größeren Bewusstseins war und nun auch wieder sein wird. Hätte sich ein einzelnes Bit mit seinem mini­malen Denkvermögen die Frage stellen können »Was ist Sinn und Zweck meiner rasenden Fahrt?« oder »Wer hat mich erschaffen, woher komme ich?«, hätte es keine Antwort gehabt. Trotzdem war es Anfang und Ende eines Aktes, einer Art von »Schöpfung« des Bewusstseins, vermehrt um den Faktor: Erfahrung.

Vielleicht kann dieser versimplifizierte Vergleich eine Hilfe sein, das Phänomen Es aufzuspüren: wir alle sind Bestandteile dieser Urkraft Es. Erst ganz am Ende, an Teilhard de Chardin's (1881-1955) »Punkt Omega«, werden wir wieder wissen, dass wir in uns selbst Ursache und Ergebnis der Schöpfung vereinen.

Dass Es, Synonym für den Begriff Gott, vor dem Ur-Knall existiert haben muss, scheint mir ein unwiderlegbarer Gedanke zu sein. Der Evangelist Johannes, der in seinen Offenbarungen beweist, dass er Zugang zu alten geheimen Texten hatte, beschrieb die Entstehung allen Seins:

»Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dies war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe geworden und ohne das Wort ist nichts geworden, das geworden ist.«

Das alles wäre logisch, wenn der Begriff Gott nicht in zwei Jahr­tau­sen­den mit Vorstellungen befrachtet worden wäre, die es erlauben, Kindern und Wilden eine erzählbare Geschichte von der Schöpfung zu vermitteln, die aber verhindern, dem Geheimnis der Schöpfung auf den Grund zu kommen. Hat aber das Phänomen Es (Gott) beschlossen, sich in Materie umzuwandeln, dann ist Es die Schöpfung und selbst ein Produkt seiner Schöpfung. Wie sagt Professor D. L. Pieper von der Stanford Universität? »Panische Angst vor einem Fehler ist der Tod für jeden Fortschritt. Wahrheitsliebe ist sein Schutzbrief!«

Wie die Computer-Bits finden auch wir uns in einer Einheit wieder. Wir sind Teile, winzige Teile des Es, die zur unendlichen kosmo­lo­gi­schen Gemeinschaft zurückfinden werden. Alle Besinnungen, alle Philosophien quälen sich um Antwort auf die Fragen »Warum?« und »Woher?« – »Wissen«, schreibt der Theologe Professor Puccetti, »muss nicht unbedingt auf wissenschaftlichem Wege gewonnen werden, und tatsächlich ist keine so genannte religiöse Wahrheit von Bedeutung je auf diese Weise erworben worden.«

An der Schwelle zum dritten Jahrtausend unserer Zeitrechnung ist die Welt in fünf große rivalisierende Religionen und Tausende fanatischer Sekten zersplittert.

Technik wird es mit größter Sicherheit möglich machen, mit fremden Intelligenzen im Kosmos Verbindung aufzunehmen.

Wie stellen wir uns ihnen vor?

Als Katholiken? Als Protestanten? Als Alt-Lutheraner? Als Hussiten? Als Mormonen? Als Mohammedaner? Als Buddhisten? Als Hindus? Als Griechisch-Orthodoxe ?

Wollen wir uns von einer fremden Intelligenz als geistig minderbemittelt ansehen lassen, weil wir am Samstag keinen Lichtschalter bedienen? (Orthodoxe Juden) Weil wir kein Schweinefleisch essen? (Mohammedaner und Juden) Weil wir magere Kühe und fette Ratten für heilig halten? (Hindus und verwandte Religionen) Oder: weil wir unseren allmächtigen Gott auf grauenhafte Weise ans Kreuz nagelten?

Ich vermute, dass mit dem Schritt ins interstellare dritte Jahrtausend zwangsläufig das Ende der irdischen Vielgötterei kommen wird.

Mit der Annahme, dass wir alle Teile des gewaltigen Es sind, muss der eine Gott nicht mehr in unbegreiflicher Weise zugleich gut und böse sein, ist er nicht mehr für Leid und Freud, für Prüfungen und Fügungen verantwortlich. Wir selbst tragen die positiven und negativen Kräfte in uns, weil wir alle aus dem Es, das immer war, stammen.

Ich kann dieser Frage nach dem Es – oder hochgestochen: der Frage nach Gott – nicht ausweichen, will es auch nicht, weil es meine Überzeugung ist, dass Religionen mit ihren unzähligen Göttern den Fortschritt hemmen. Wie oft waren Religionen und Sekten, jede von ihnen einem Gott verschworen, Anlass für Kriege, Leid und Gräuel! Und sie werden ohne bessere Einsicht Mitursache für das Ende der menschlichen Existenz sein.

Der Systemanalytiker Tay W. Forester vom Massachusetts Institute of Technology hat mit einem exakten mathematischen Modell die gründlichste Studie über die menschlichen Zuwachsraten und deren Folgen geliefert. »The limits of the Growth« (Die Grenzen des Wachstums) heißt das Buch, in dem Professor Dennis Meadows im Mai 1972 anhand der Foresterschen Berechnungen die Weltöffentlichkeit mit den Furcht erregenden Zukunftsperspektiven konfrontierte. Täglich, stündlich wächst die Zahl der Menschen. Eine Menschenflut überschwemmt unseren Planeten. Alle Menschen brauchen Nahrung, Kleidung, Unterkunft. Alle verursachen Abfälle und Dreck, vermehren den Stickstoff. Mehr landwirtschaftliche Nutzflächen und mehr Rohstoffe werden benötigt, als unser Planet zur Verfügung hat. Wie die Metastasen einer krebsartigen Geschwulst wird die Erdoberfläche von Städten und Siedlungen überwuchert. Rodet man in der letzten Not Dschungel und Urwälder, erstickt die Menschheit sich selbst: sie vernichtet die Sauer­stoff­quellen. Das Lebenselixier: Wasser reicht nicht mehr, selbst wenn Ozeane und das polare Eisvolumen in die Rechnung eingesetzt werden. Noch vor dem Jahr 2100, mahnen die Wissenschaftler, wird die Erde zugrunde gehen.

Für dieses Problem gibt es nur eine Lösung: den sofortigen und rigo­rosen Geburtenstopp? Dem widersetzen sich die Gebieter großer und kleiner Religionsgemeinschaften wie in einer weltum­span­nen­den Kartellabsprache. Jede Gemeinschaft zählt ihre Schäflein, und mehr Schäflein bedeuten mehr Macht, selbst dann noch, wenn diese Macht sich in menschlichem Elend wahrhaftig nicht als gottgewollt darstellen kann. Was hier im Namen Gottes geschehen darf, ist Macht­politik mit ärmsten Kreaturen, ist ein Verbrechen an der Mensch­heit. An Gottes Ebenbildern?

Müsste sich der Mensch nicht endlich als wesentlichen Teil des Kosmos begreifen? Von dieser Position aus käme er zu stimmigen Relationen seiner eigenen Bedeutung, er könnte sich seine Welt als Heimat bewahren und zugleich mutiger den Griff nach den Sternen wagen. Die Zukunft wird Weltraumfahrt – Besuche auf dem Mond waren nur ein ganz geringer Anfang – bringen, weil wir Rohstoffe und auch Raum brauchen werden. Weltraumfahrt aber wird mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auch die Begeg­nung mit dem »Herrn vom anderen Stern« bringen.

Diese Begegnung paßt nicht ins Konzept der 20000 Religionen und Sekten. Das gläubige Schäflein, der Mensch, muss die Krone der Schöpfung bleiben! Wie denn, was denn, wenn ganz ohne den göttlichen Schöpfungsakt auf anderen Planeten intelligente, uns weit überlegene Wesen existieren? Es ist so schwer, von vertrauten und liebgewordenen Märchen Abschied zu nehmen.

Auf eine luziferisch geschickte Weise müht »man« sich, diese Zukunftstechnik mit ihrem Ziel zu sabotieren.

Soll man Tempel sprengen, Kirchen schleifen?

Nie und nimmer.

Wo Menschen sich zusammenfinden und den Schöpfer preisen, empfinden sie eine wohltuende stärkende Gemeinsamkeit. Wie vom Ton einer Stimmgabel angerührt, schwingt gemeinsame Ahnung von etwas Großartigem im Raum. Tempel und Kirchen sind Orte der Besinnung, Räume des gemeinsamen Lobes für das Undefinierbare, für Es, das wir behelfsweise Gott zu nennen gelernt haben. Diese Versammlungsstätten sind notwendig. Der Rest aber ist überflüssig.