Es gibt immer wieder und immer noch religiöse Fundamentalisten, die ihre heiligen Schriften als Gottes Wort betrachten, das ewig, also auch hier und heute Wort für Wort befolgt werden muss. Doch gesetzt den Fall, es wäre Gottes Wort, wäre er auch dieser Meinung? Was hat er sich dabei gedacht, damit bezweckt?
Nehmen wir z.B. das 3. Buch Mose, Leviticus, das ja ein umfangreiches Gesetzbuch ist.
Kapitel 11 enthält Lebensmittelvorschriften.
Wenn man die Liste durchliest fällt auf, dass gerade die Tiere als unrein gelten, die Überträger von Krankheitserregern wie z.B. Salmonellen sind.
Das geht bis hin zum Zerbrechen von Gefäßen, in deren Poren sich Keime dauerhaft festsetzen können.
Diese "Gebote Gottes" hatten damals also durchaus einen Sinn.
Wenn ein Mediziner von heute in die damalige Zeit versetzt würde, so würde er (wenn er den Kulturschock überlebt) die gleichen Regeln einführen.
Er würde dem Volk auch nichts von Bakterien und Schimmelpilzen erzählen, weil die Leute das sowieso nicht verstünden, sondern einfach von Geboten
einer höheren Macht reden und bei Verstößen die Krankheitsfolgen (z.B. eine Trichinose) als "Gottes Strafe" ausgeben.
Irgendwie muss man das einfache Volk schließlich überzeugen.
Heute wissen wir mehr über diese Themen. Die gleichen Ziele können wir heute auch mit anderen Mitteln, z.B. Fleischbeschau, Abkochen, Desinfizieren... erreichen.
Wenn hinter diesen Vorschriften ein intelligentes Wesen (meinetwegen auch ein Gott) steckte, so wird es zufrieden sein, wenn wir das Ziel beachten.
Die Mittel dazu dürften ihm gleichgültig sein.
Ähnlich ist es mit den Sexualvorschriften der Kapitel 18 und 20, dem Strafgesetzbuch in Kapitel 24, den Sozialgesetzen in Kapitel 25...
Um das Überleben eines kleinen Volkes unter den damaligen Bedingungen zu sichern, waren Zusammenhalt und Fortpflanzung eine Notwendigkeit.
Und wer dies gefährdete, musste aus der Gemeinschaft entfernt werden, durch Vertreibung oder Tod. Man konnte es sich unter diesen Lebensbedingungen nicht leisten,
Übeltäter in Gefängnissen durchzufüttern oder aufwändig zu resozialisieren.
In unserer heutigen, westlichen Überflussgesellschaft herrschen andere Bedingungen.
Natürlich brauchen auch wir Gesetze, die das Zusammenleben regeln, und wir haben sie.
Doch unsere Gesetze, die die gleichen Ziele verfolgen wie die der Bibel, sind besser an unsere Bedingungen angepasst.
Und das müsste eigentlich ganz im Sinne eines intelligenten Wesens (oder Gottes) sein.
Das gilt selbst dann, wenn einige Delikte aus der Bibel heute als zulässige, tolerierbare Verhaltensweisen angesehen werden.
Oder kann mir jemand erklären, welchen Schaden unsere bevölkerungsreiche Gesellschaft davon haben soll, dass sich Homosexuelle nicht fortpflanzen (Leviticus 18:22)?
Fazit für mich:
Die Bibel ist ein altes und durchaus ehrwürdiges Werk mit Berichten über das Leben (incl. Gesetze) eines Volkes vor 2000 und mehr Jahren.
Wir können sogar etwas daraus lernen.
Wir dürfen aber beim Lesen nicht vergessen, dass damals andere Lebensbedingungen herrschten, und Regeln, die damals sinnvoll waren,
nicht Wort für Wort in die heutige Zeit übertragen werden können.
Wir müssen das Ziel hinter den Regeln suchen, fragen ob dieses Ziel heute noch sinnvoll ist, und uns ggf. Wege und Regeln wählen,
die dieses Ziel heute fördern.
Dieser Text entstand 2001 auf Grund eines Gästebucheintrags vom 9.9.2001, dessen Autor offenbar über eine Veräppelung einer Blindgläubigen eingeschnappt war.